Ein guter Bekannter hat mich vor einigen Wochen angerufen: Sein Schwiegervater ist gestorben. Ich habe meinen Bekannten die letzten Wochen bereits am Rande mitbegleitet. Im Gespräch über die bevorstehende Beerdigung, habe ich die Idee reingegeben, ob mein Bekannter den Sarg nicht vielleicht selbst bauen möchte. Er ist Handwerker und hat schon viel mit Holz gearbeitet.
„Geht das denn? Kann ich den Sarg wirklich selber bauen?“ „Ja, das geht und ich kann mir vorstellen, dass es dir guttut. Dein Schwiegervater hat deine handwerklichen Fähigkeiten sehr geschätzt. Und es ist doch vielleicht ein schöner und stimmiger letzter Gruß, wenn du das, was du so gut kannst und gerne machst, in die Abschiedsgestaltung einbringst.“
Diese Idee musste etwas sacken. Ein paar Tage später haben wir nochmal gesprochen, ich habe nachgehakt und er meinte: „Ich wollte das gerne machen, aber unser Bestatter hatte Bedenken wegen der Maße und hat gesagt, dass es sehr kompliziert ist und ich dies und das nicht vergessen darf, das war mir zu heikel und kompliziert, wir haben dann einfach einen gekauft. Das ist jetzt auch gut.“
Oh, das hat mich geschmerzt, weil es Bestatter:innen gibt, die den Wunsch nach dem Bau eines eigenen Sarges möglich gemacht hätten. Denn besonders in der Schwellenzeit, der unwiderbringlichen Zeit zwischen dem Tod und der Bestattung, kann aktive Trauerarbeit so heilsam sein.
Selbstwirksamkeit löst Trauerblockaden auf
Ich bin fest davon überzeugt: Je stimmiger und runder wir den Abschied von einem für uns wichtigen Menschen gestalten, desto leichter wird es auf dem Trauerweg. Wenn ein Lieblingsmensch stirbt, erleben wir eine Krise, wir sind in einem Ausnahmezustand. In dem Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen und die vielen notwendigen Entscheidungen gut und stimmig zu treffen, das ist eine große Herausforderung.
Es braucht einen klaren Kopf, den hat man in der Krise nicht immer
Das direkte Umfeld ist meistens ähnlich betroffen, da es um einen Verlust innerhalb der (Wahl-)Familie geht. Das heißt, es braucht eine einfühlsame externe Begleitung, die dafür sorgt, dass stimmige und runde Entscheidungen getroffen werden können. Ein guter Bestatter, eine gute Bestatterin, der:die hinhört und aufnimmt, was die Angehörigen und Zugehörigen sich wünschen und was sie einbringen können und wollen. Manchmal ist der Bedarf, eigene Ideen einzubringen, einfach gar nicht da und dann ist auch das stimmig. Aber wenn mein Bekannter schon mit dem Wunsch, den Sarg für seinen Schwiegervater selbst zu bauen, beim Bestatter sitzt, dann schmerzt es mich, dass er nicht gehört und unterstützt wurde. Ihm wurde die Selbstwirksamkeit genommen, das gute Gefühl sich einbringen zu können, sich persönlich und sehr besonders an der Abschiedsgestaltung zu beteiligen. In diesem Fall hatte die Familie einen Begleiter an der Seite, der sie nicht gut begleitet hat.
Bohana ein Netzwerk der Möglichmacher:innen
Bei Bohana machen wir die Möglichmacher:innen sichtbar. Bestatter:innen, die Menschen bedürfnisorientiert und achtsam im Abschied begleiten und Wünsche nach bester Möglichkeit umsetzen.
Der Bestatter Henning Rutsatz mit seinen Standorten in Kirchlinteln und Verden gehört seit einiger Zeit zu unserem Netzwerk. Als ich Henning kennengelernt und auf seiner Website gestöbert habe, ist mir direkt seine Anleitung zum Sarg selber bauen aufgefallen. Wir haben lange darüber gesprochen, denn auch wenn ich selbst schon einen Sarg gebaut habe, ein paar Fragen haben mich nochmal brennend interessiert.
Henning, das Worst-Case-Szenario, das ich beim Sarg selbstbauen mitdenken würde: Er ist nicht stabil genug und hält nicht. Was muss ich bedenken und beachten, wenn ich den Sarg selbst baue?
Wir stellen auf unserer Website den Sarg-Bausatz als PDF zum Download zur Verfügung. Die Anleitung haben wir gemeinsam mit einem Tischer erstellt. Die Maße, Anzahl der Schrauben und die Materialstärke sind getestet. Wenn man sich daran hält, braucht man sich nicht sorgen. Die Füße sind wichtig, damit der Sarg angehoben werden kann. Und die feuchtigkeitsundurchlässige Folie ist wichtig, das ist Vorschrift. Bisher hat der nach dieser Anleitung gebaute Sarg immer gehalten – wir machen auch immer eine Liegeprobe. Bis 100 kg ist es überhaupt kein Problem, über 100 kg wird es schwierig. Und ganz wichtig, es ist nur ein Einäscherungssarg. Ein Sarg, der auf dem Friedhof beigesetzt wird, muss wegen der Erde und dem Sand, mit dem das Grab gefüllt wird, eine andere Belastung aushalten.
Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich einen Sarg selbst bauen möchte?
Interessierte können sich auf unserer Website das PDF mit der Bauanleitung herunterladen, das Material selbst im Baumarkt besorgen und wenn es Fragen beim Zusammenbauen gibt, kann man sich bei uns melden. Wir bieten die telefonische Begleitung sehr gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten an. Bei uns vor Ort geben wir auch regelmäßig Sargbau-Workshops.
Wie erlebst du die Workshops, aus welchen Gründen bauen Menschen einen Sarg selbst?
Das ist unterschiedlich, einmal kam ein Ehepaar zu uns. Die Frau hat eine lebensverkürzende Diagnose erhalten und sich gewünscht, dass ihr Mann sich dieser Tatsache mehr und mehr stellt. Ihr Wunsch war es, dass er ihren Sarg baut. Es gehörte zum Abschiedsprozess des Paares, den eigenen Sarg selbst zu bauen. Eine Mutter und eine Tochter haben den Workshop aus Neugierbesucht und sind beim Bauen ganz selbstverständlich ins Reden gekommen über ihre Vorstellungen und Wünsche für die eigene Bestattung. Im Tun ist es oftmals leichter, über schwere Themen zu sprechen.
Warum blockieren manche Bestatter:innen die Idee, den Sarg selbst zu bauen? Und was kann ich tun, wenn ich den Wunsch habe und der Bestatter, die Bestatterin bei mir vor Ort sagt, das geht nicht?
Bei vielen Bestattungsunternehmen steht nicht die Begleitung der Familien, Angehörigen und Zugehörigen im Fokus, sondern der Verkauf. Das kann man ganz einfach so sagen. Es ist daher hilfreich, sich im Vorfeld schonmal zu erkundigen, welche Bestatter es in der eigenen Umgebung gibt, die bedürfnisorientiert begleiten und ganz persönliche Abschiede gestalten. Gute Branchen-Netzwerke wie Bohana zu kennen, ist da sehr hilfreich. Da kann man sich darauf verlassen, dass die Bestatter:innen die Begleitung in den Vordergrund stellen und kreative Gestaltungsideen und besondere Wünsche wie den Sarg selbst zu bauen oder mit Farbe zu bemalen unterstützen.
Vielen Dank, Henning – wir verlinken hier sehr gerne die Sargbau-Anleitung von dir.
Übrigens: Mein Bekannter hat den Sarg zwar nicht gebaut, aber dafür eine schöne Sitzbank mit dem Namen seines Schwiegervaters drauf. Die steht jetzt vor dem Haus. Immer wenn ich daran vorbeigehe, ploppt eine Erinnerung auf, an seinen Schwiegervater und:oder an ihn. Auch so lassen sich gemeinsame Erinnerungen schaffen und die Verbundenheit mit den Verstorbenen gestalten.
Vorbereitet sein: Das wertvolle Wissen um all die Möglichkeiten, die es gibt
Ich wünsche mir, dass Menschen, die einen Lieblingsmenschen verloren haben, gestärkt beim Bestatter, der Bestatterin sitzen und wissen, was möglich ist. In diesem Fall: Ja, es geht, dass man den Sarg selbst baut. Und ich wünsche mir, dass Menschen den Mut haben den Bestatter, die Bestatterin im Zweifel auch nochmal zu wechseln, wenn sie merken, dass sie nicht gut begleitet werden. Auch das geht nämlich. Wir informieren und inspirieren regelmäßig hier im Bohana-Blog, in unserem Newsletter und auf unseren Social Media Kanälen, damit man weiß, welche Möglichkeiten es gibt. Wir möchten Menschen bewusst machen, wie wichtig es ist, im Vorfeld schon mal zu gucken, wer der:die passende Begleiter:in im Trauerfall und bei der Abschiedsgestaltung sein kann.
Im Gespräch mit Henning Rutsatz
Über die Autorin
Anne Kriesel
Gründerin von Bohana