Über den Mut neue Wege zu gehen…
Wir alternativen Bestatter:innen werden auf Friedhöfen im Allgemeinen nicht sehr zuvorkommend behandelt, das erlebe ich selbst sehr häufig und das spiegeln mir auch Kolleg:innen oft wieder. Selbst geringste Sonderwünsche werden als störend empfunden, weil sie nicht dem festgelegten Ablauf entsprechen. Von kundenfreundlicher Dienstleistung und Interesse an individuellen Trauerfeiern ist bis auf wenige Ausnahmen nichts zu spüren. Ich halte unsere Friedhöfe für Dienstleistungswüsten. Die Leidtragenden sind am Ende immer die Zugehörigen, die so viel mehr verdient haben bei der letzten Abschiednahme.
Friedhofszwang in Deutschland
Noch immer gibt es in Deutschland den sogenannten Friedhofszwang für Totenasche. Urnen müssen (mit wenigen Ausnahmen) per Gesetz auf einem Friedhof beigesetzt werden. Ich finde, das Grab für die Urne selbst auszuheben und zuzuschaufeln, könnte schon ein Stück Trauerbewältigung sein. Das wird aber so gut wie nie gestattet. Offiziell dürfen Bestatter:innen den Angehörigen die Urne nicht einmal aushändigen – auch nicht vorübergehend.
Den Tod im wörtlichen Sinne zu be-greifen, bedeutet für mich: Die Urne anfassen zu dürfen, das Gewicht zu spüren, die Asche zu sehen. Zu erkennen, was von einem Leben übrigbleibt. Die Verstreuung der Asche oder Beisetzung der Urne dort vornehmen zu dürfen, wo es sich der oder die Verstorbene gewünscht hat. In fast jedem anderen Europäischen Land ist das möglich.
Bestattungskultur in Griechenland
Griechenland ist das einzige Land der EU, in dem die Feuerbestattung bis vor kurzem verboten war. Im ganzen Land gab es kein einziges Krematorium. Die mächtige orthodoxe Kirche lässt ihrem Glauben gemäß nur die Körperbestattung zu. Alles andere hält sie für Sünde. Das führt zur hoffnungslosen Überfüllung der Friedhöfe in den großen Städten. Manchmal werden Verstorbene sogar in schneller Abfolge nacheinander im Familiengrab beigesetzt. Die Angehörigen sind dann verpflichtet, die Gebeine der noch nicht ganz verwesten Vorgänger im Grab zur Seite zu schaffen, sodass für den neuen Leichnam wieder genug Platz ist. Das können traumatisierende Erfahrungen sein.
2006 hat Griechenland endlich als letztes Land der Europäischen Union die Feuerbestattung gesetzlich erlaubt. 13 weitere Jahre mussten noch vergehen, bis das erste – und nach wie vor einzige – Krematorium des Landes in Ritsona nahe Athen in Betrieb gehen konnte.
Die Vision von meiner letzten Ruhestätte in der Natur
Wo ich nicht begraben werden will, ist mir schon lange klar. Seitdem ich mit w e i s s über den tod hinaus kunstbasierte Bestattungen durchführe, wird mir immer deutlicher, dass deutsche Friedhöfe mit ihren starren Regeln nicht zu meinem freiheitsliebenden, selbstbestimmten Wesen passen. Als letzte Ruhestätte stelle ich mir einen Ort hoch oben in den kretischen Bergen vor. Ein Refugium, das wie eine Oase in einer Wüste oder eine Insel auf stürmischer See liegt.
Selbstbestimmung über den Verbleib der Asche
In Griechenland gibt es keinen Friedhofszwang für die Totenasche. Das griechische Krematorium in Ritsona händigt den Angehörigen die Urne mit der Asche ihrer Verstorbenen persönlich aus. Aschekapseln aus deutschen Krematorien können problemlos mit der Post ins Ausland geschickt werden. Es ist auch möglich, dass Bestatter:innen oder die Angehörigen selbst die Urnen als Handgepäck im Flugzeug nach Griechenland mitnehmen. Wenn die Angehörigen einen Grabplatz in Griechenland nachweisen können, dürfen sie die Urne selbst dorthin überführen. Sobald die Urne in Griechenland ist, gelten dort die landesüblichen Bestimmungen für den Umgang mit der Totenasche. Und genau hier beginnt die Freiheit: Das Selbstbestimmungsrecht, das ich in Deutschland vermisse. In Griechenland darf die Asche der Verstorbenen überall begraben oder verstreut werden – unterm Olivenbaum, im eigenen Garten, auf einem Berg, im Meer, aus dem Flugzeug heraus oder was auch immer sich der:die Verstorbene gewünscht hat.
Urnengrab im griechischen Olivenhain
Bereits seit vielen Monaten bin ich auf Kreta. Inzwischen habe ich einen Olivenhain hoch oben in den kretischen Bergen gekauft – mit phantastischem 180 Grad Rundumblick auf das Meer. 14 Olivenbäume wachsen dort, zwei Birnen und ein Mandelbaum. Und genauso viele Bäume kann ich neu dazu pflanzen – auf persönlichen Wunsch meiner Kund:innen sogar einen eigenen Granatapfel- oder Orangen-Begräbnisbaum.
Dieser Olivenhain ist die freie Naturbegräbnisstätte von w e i s s über den tod hinaus. Ein Ruheort für alle, die sich wünschen, dass ihre Asche in Griechenland bestattet oder im Meer vor der Südküste Kretas verstreut wird. Mit einer wunderschönen Trauerzeremonie und einem kretischen Slow Food Leichenschmaus im benachbarten Bergdorf, dass sich die Tische biegen und der Raki und die Musik den Trauernden den Schmerz aus der Seele treibt.
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Fotos: Jean Bienvenue, www.west-crete.com
Lydia Gastroph
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