Endlich ausgesprochen: Schwierige Gespräche im Traueralltag meistern

von Christina Wiesner

Wenn ich meine Klienten in der Trauerbegleitung frage, was sie im Alltag besonders belastet, kommt ein Thema immer wieder zur Sprache: Die vielen, kleinen Gesprächssituationen, in denen sie direkt oder indirekt auf ihren Verlust angesprochen werden. Zum Beispiel an der Kasse im Supermarkt, wenn sie von guten Bekannten ungefragt Tipps zur erfolgreichen Trauerbewältigung erhalten. Oder beim Firmenfest, wo Kolleginnen sich mit ihren eigenen Trauergeschichten und Leidenserfahrungen überbieten wollen. Und dann natürlich das Telefonat mit der Freundin, der man irgendwie gerne erklären würde, dass ihre gut gemeinten Aufmunterungsversuche gerade blanke Tobsucht in einem auslösen. Vielleicht kommen auch dir solche Szenen bekannt vor. Sie gehören zur Realität Trauernder unvermeidbar dazu, kosten jedoch eine Menge Kraft, die in Zeiten von Krisen und Verlust ohnehin an allen Ecken und Enden fehlt.

Die gute Nachricht an dieser Stelle: Im Gegensatz zu vielen anderen Herausforderungen, die die Trauer an uns stellt, können wir uns auf diese Situationen in einem gewissen Maß vorbereiten und damit innere Stärke und Selbstwirksamkeit zurückgewinnen. Im Folgenden möchte ich mit dir eine erprobte Strategie teilen, mit der ich Menschen im Coaching beim Meistern schwieriger Gespräche unterstütze. Falls du selbst gerade eine schwere Zeit durchmachst oder dich generell vor schwierigen Gesprächen fürchtest, ermutige ich dich dazu, sie für dich selbst auszuprobieren.

5 Schritte für einen souveränen Umgang mit schwierigen Gesprächen in Zeiten der Trauer

1. Reflektieren und fühlen

Im ersten Schritt ist es wichtig herauszufinden, welche Gesprächssituationen dich belasten und was genau dich an ihnen stört. Welche Worte empfindest du als verletzend? Gibt es einen bestimmten Gesichtsausdruck oder einen Tonfall, der dich auf die Palme bringt? Welche Emotionen und Gedanken lösen sie in dir aus und wie kannst du diese körperlich spüren? Versuche, dich möglichst genau in diese Situationen hineinzuversetzen und nimm alle aufkommenden Emotionen – seien es Wut, Frust, Traurigkeit, Neid oder Enttäuschung – an, ohne dich dafür zu verurteilen. Deine Gefühle sind berechtigt und ein wichtiger Hinweis darauf, was dir im Leben wichtig ist und was du brauchst.

2. Bedürfnisse erkennen

Nun kommt der knifflige Teil! Wenn wir emotional angegriffen aus einem Gespräch herausgehen, ist dies oft ein Zeichen dafür, dass ein wichtiges Bedürfnis in der Situation nicht erfüllt wurde. Frage dich daher ehrlich: Was brauchst du in diesem Gesprächsszenario von deinem Gesprächspartner wirklich? Anerkennung deines Schmerzes? Die Wahrung deiner Privatsphäre? Das Gefühl, wie eine erwachsene Person behandelt zu werden? Mehr Zuneigung und Aufmerksamkeit? Ehrlichweise besitzen wir nicht immer die Fähigkeit, uns selbst so einfühlsam und kritisch auf den Zahn zu fühlen. In diesem Fall kann es hilfreich sein, eine Vertrauensperson oder eine professionelle Unterstützung zu Rate zu ziehen. Übrigens kann es auch sehr erhellend sein, sich zu fragen, welche Bedürfnisse dein Gegenüber mit seinen Worten und Handlungen zu erfüllen versucht. Was oft von außen zum Beispiel wie mangelndes Einfühlungsvermögen wirkt, kann in Wahrheit auch ein Zeichen von Hilflosigkeit und Angst sein, die unsere Mitmenschen überspielen möchten.

3. Deine eigenen Worte finden

Unsere Gesprächspartner sind auch nur Menschen und können meistens schwer einschätzen, was wirklich in uns vorgeht. Hast du dein Bedürfnis in der Situation erkannt, bist du in der Verantwortung, es in für dich stimmigen Worten zu kommunizieren. Wie kannst du deiner Freundin also so liebevoll und deutlich wie möglich mitteilen, dass du gerade nicht abgelenkt werden willst und lieber deinen Schmerz mit ihr teilen möchtest? Welche Wortwahl macht deinen Kollegen klar, dass ihre eigenen Traueranekdoten gerade eher eine Belastung darstellen, als Trost zu spenden? Es gibt nicht die eine perfekte Formulierung, die solche Gespräche sofort zum Guten wendet. Schreibe dir am besten einige Varianten in Stichpunkten auf: eine sehr direkte, eine ganz zaghafte, eine richtig freche und dann noch eine mit besonders viel Körpersprache dazu. Irgendwo zwischen all diesen Versionen wirst du eine Kombination von Wort und Gestik finden, die sich für dich natürlich anfühlt. Auch hier können Impulse von Vertrauenspersonen und Profis sehr hilfreich sein.

4. Proben bis zum Auftritt

Ja, es hört sich komisch an, aber vertraue mir an dieser Stelle: Es macht Sinn, wenn du deine favorisierte Formulierung übst. Allein im Selbstgespräch, vor dem Spiegel, mit einem Freund, einer Trauerbegleiterin oder einem Coach. Spiele das Gespräch, und auch mögliche Antwortmöglichkeiten deines Gegenübers, in deinem Kopf oder mit einem Partner durch. Ein besonders wertvoller Trick: Wenn du merkst, dass du bei deinen Ausführungen ins Stocken kommst oder du unklar wirst, sage einfach ruhig „Stopp“ atme zweimal tief durch. Stell dir dann vor, dass du wie ein Schauspieler wieder an die Stelle des Gesprächs zurückspringst, an der du inhaltlich falsch abgebogen bist und setze dort mit einem ruhigen „und nochmal“ wieder ein. Wie beim Proben für ein Theaterstück kommt irgendwann der Punkt, an dem du dich textsicher und souverän genug fühlst, um mit deiner Formulierung auf die Bühne zu gehen. Und dann kommt der große Auftritt, für den du geprobt hast: Die Bekannte nähert sich im Supermarkt, vollgepackt mit Einkäufen, mitleidvollen Blicken und Trauerweisheiten. Doch diesmal wird das Gespräch anders laufen. Du atmest tief durch. It’s showtime.

5. Deine Stärke würdigen

Und, wie lief es? Bedenke immer: Wie ein Gespräch ausgeht und ob deine Botschaft ankommt, liegt nicht zu 100% in deiner Macht, egal wie gut du dich vorbereitet hast. Es kann sinnvoll sein, den Ablauf des Gespräches zu reflektieren und dir zu überlegen, was du beim nächsten Mal vielleicht noch anders machen möchtest. Aber übertreibe es nicht mit der Selbstkritik. Du hast in einer schwierigen Situation Verantwortung für dich und deine Bedürfnisse übernommen, darauf kannst du stolz sein. Je häufiger du diese kleinen Situationen ein Stückchen selbstsicherer bewältigst, desto souveräner wirst du beim nächsten Mal. Vertraue darauf, dass die ersten halbwegs geglückten Gesprächsversuche nur der Anfang einer langfristigen und tiefgreifenden Entwicklung sein können: hin zu mehr Selbstbestimmtheit und Frieden in deinem Alltag.

Sich auf schwierige Gespräche gut vorbereitet zu fühlen und ihnen nicht mehr um jeden Preis aus den Weg gehen zu müssen, macht einen enormen Unterschied für unser allgemeines Wohlbefinden und unser Gefühl von Selbstwirksamkeit. Ich hoffe, dass dir meine Impulse das Leben an der ein oder anderen Stelle in Zukunft ein bisschen leichter machen können. Über eine Rückmeldung freue ich mich und wünsche dir alles Gute auf deinem Weg,

Deine UmWegGefährtin Christina

Über die Autorin

Christina Wiesner
UmWegGefährtin | Trauerbegleitung & Coaching

Ich bin Christina, deine Begleiterin für die holprigen Abschnitte entlang des Lebensweges. Als Sozialpädagogin, Coach und Trauerbegleiterin stehe ich dir zur Seite.