Trauer im Team – Wenn der Tod Teil des Teams wird

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, wie Unternehmen damit umgehen können, wenn Mitarbeiter:innen aus dem aktiven Dienst versterben. Anhand eines Beispiels, das ich zu meiner Zeit als Personalentwicklerin selbst erlebt habe, zeige ich Möglichkeiten auf, einen wertschätzenden und heilsamen Umgang mit einer Situation zu finden, die für die meisten Menschen eine große Herausforderung darstellt. Denn der Tod macht auch vor Unternehmenstüren nicht Halt.

Ein Beispiel

Barbara* ist eine engagierte, humorvolle Frau. Sie hat oft einen flotten Spruch auf den Lippen, kann im nächsten Moment aber auch ernst und unnahbar sein. Seit fünf Jahren ist Barbara als Sachbearbeiterin in einem jungen, dynamisch wachsenden Unternehmen angestellt. Ihre Kollegen schätzen ihre Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft, ihren Humor und auch den Tiefgang, den sie in Gesprächen mit ihr erreichen. Sie ist eine beliebte Mitarbeiterin. Zu zwei Teammitgliedern hat sich über die Jahre ein freundschaftlicher, privater Kontakt entwickelt.

An einem Montag Abend chatten Barbara und ihre Kollegin noch etwas länger. Barbara geht es nicht gut. Sie macht sich Sorgen um alles mögliche, wirkt ängstlich und niedergeschlagen. Der Versuch, Barbara aufzumuntern, gelingt nicht wirklich. Es ist eben einer von Barbaras verschlossenen Momenten.

Dienstag Morgen erscheint Barbara nicht wie gewohnt pünktlich im Büro. Sie meldet sich auch nicht ab, was unüblich für sie ist. Telefonisch ist sie nicht erreichbar. Die Kollegen sind in Sorge. Am Nachmittag erreicht sie die Nachricht, dass Barbara sich in der Nacht das Leben genommen hat.

Auch die Kollegen sind betroffen

Dies ist nur ein Beispiel, wie der Tod Einzug in Unternehmen halten kann. Tödliche Unfälle, schwere Erkrankungen oder eben Suizid treffen – häufiger als wir meinen – auch Menschen, die mitten im Arbeitsleben stehen. Dabei trauert um diese Menschen nicht nur das private Umfeld, auch die Kolleg:innen sind betroffen. Wir sind halt nicht nur als Arbeitskraft im Unternehmen. Wir sind auch (und in erster Linie!) Mensch.

Und plötzlich bleibt ein Stuhl leer. Da wird ein Lachen vermisst. Oder die fürsorgliche Nachfrage. Oder ganz praktisch die „Nervennahrung“, die jemand in Form von Gummibärchen oder Lakritz gerne mitgebracht hat. Vielleicht fehlt auch genau der Mensch, der immer kritisch nachgefragt hat und damit für die Qualität der Arbeitsergebnisse eine wichtige Rolle gespielt hat.

Kommunikation ist jetzt das A & O

Die größte Herausforderung, aber gleichzeitig auch die größten Chancen, stecken im Thema Kommunikation. Dann, wenn alle sprachlos und geschockt sind, braucht es von Seiten des Unternehmens zunächst einmal eine klare und gleichermaßen wertschätzende Information. Je nach Unternehmensstruktur sollte die unmittelbare Führungskraft, die Bereichsleitung oder auch die Geschäftsführung oder die Personalabteilung über den Tod des Kollegen/der Kollegin informieren. Zu diesem Zeitpunkt müssen noch gar nicht alle weiteren geplanten Schritte (Abschiedsfeier, Kondolenz etc.) klar sein – wichtig ist die frühzeitige Information, bevor der „Flurfunk“ die Kommunikation übernimmt und damit ggf. Gerüchte und Halbwahrheiten gestreut werden.

Im obigen Beispiel hat der Teamleiter noch am Nachmittag das gesamte Team zusammengerufen und persönlich die Nachricht über den Tod überbracht. Kurz darauf ging eine Mail der Geschäftsleitung und der Personalabteilung an alle Mitarbeiter:innen raus. Darin wurde angekündigt, dass an Möglichkeiten des Abschieds und der Kondolenz gearbeitet und zeitnah darüber informiert werde.

Viele Möglichkeiten – das Passende entwickeln

Nun gibt es viele Fragen zu klären, weil der Arbeitgeber seine Aktivitäten mit der Familie des/der Verstorbenen abstimmen sollte. Den Kontakt zur Familie hält häufig die unmittelbare Führungskraft, in größeren Unternehmen auch die Personalabteilung.

  • Trauerfeier/Beisetzung:
    In welchem Rahmen findet die Beisetzung statt? Ist es erwünscht, dass Kolleg:innen teilnehmen? Gerade derzeit ist coronabedingt die Anzahl der Gäste für eine Trauerfeier oft beschränkt. Generell sind hier die Wünsche der Zugehörigen zu respektieren.
    Gibt es die Möglichkeit, einen Kranz oder eine Schale seitens des Unternehmens zur Beerdigung liefern zu lassen? Das ist ein schönes Signal, macht aber z.B. bei einer Seebestattung keinen Sinn oder ist z.B. in Friedwäldern verboten.
  • Kondolenz:
    In welchem Rahmen möchte das Unternehmen kondolieren? Gibt es eine offizielle Karte seitens der Unternehmensleitung? Wird am Arbeitsplatz des/der Verstorbenen ein Kondolenzbuch ausgelegt? In welchem Rahmen haben Kolleg:innen die Möglichkeit, ihr Mitgefühl auszusprechen?
  • Zeitungsanzeige/Nachruf:
    Ist eine Zeitungsanzeige erwünscht? Diese Frage ist nicht nur unternehmensintern zu klären, sondern insbesondere auch mit den Zugehörigen abzustimmen. Manche Familien wünschen keine Veröffentlichung in der Zeitung. Zudem ist es ganz wichtig, den Zeitpunkt abzustimmen, denn keinesfalls darf der Nachruf der Firma vor einer privaten Todesanzeige erscheinen.
    Wer formuliert den Nachruf, damit er wirklich individuell ist? Leider sehe ich in der Zeitung all zu oft Standardformulierungen, manchmal sogar identische Texte, bei denen nur der Name ausgetauscht wurde, wenn ein großer lokaler Arbeitgeber zwei Anzeigen am selben Tag veröffentlicht … so etwas kann große Verletzungen bei den Zugehörigen auslösen. Also lieber eine Schleife mehr drehen und die Kolleg:innen fragen, wie sie den verstorbenen Menschen in Erinnerung behalten und genau das in der Anzeige formulieren.

Der Trauer Raum geben

Mit der Erstinformation ist es nicht getan. Ab diesem Moment ist die Trauer präsent im Arbeitsalltag und Mitarbeiter:innen gehen sehr individuell damit um. Von Sprachlosigkeit über sehr emotionale Reaktionen bis hin zur Verdrängung ist alles möglich. Von „Business as usual“ keine Spur. Natürlich muss aus Unternehmenssicht die Arbeit irgendwie weitergehen, aber oftmals funktioniert genau das besser, wenn das Team zunächst innehalten und diese besondere Situation würdigen darf.

Barbaras Teamleiter hat sich gleich in dem Meeting, in dem er über den Tod informiert hat, viel Zeit genommen. Er hat damit den Rahmen geschaffen, nicht nur den Gefühlen Raum zu geben, sondern auch die Mitarbeiter:innen aktiv am Abschieds- und Trauerprozess zu beteiligen. So entstand aus dem Team heraus u.a. die Idee, eine gemeinsame Kondolenzkarte zu schreiben, die eine Kollegin mit einem Blumenstrauß persönlich bei Barbaras Eltern vorbeigebracht hat.

Das Team entwickelte außerdem Ideen, wie Barbara noch einige Zeit einen sichtbaren Platz im Büro behalten kann. Sie stellten auf ihrem Schreibtisch ein Foto auf, das auf dem letzten Betriebsausflug entstanden war. Dazu legten sie ein Kondolenzbuch, das von vielen Kolleg:innen aus dem ganzen Haus für einen letzten, persönlichen Gruß genutzt wurde. Zusätzlich gab es eine Spendenbox. Barbara war aktive Tierschützerin, sie hatte ihren Hund aus dem Tierheim gerettet. Das gesammelte Geld wurde dem örtlichen Tierheim übergeben.

Barbara wurde im engsten Familienkreis beigesetzt, sodass eine Teilnahme an der Beerdigung von Seiten der Kolleg:innen nicht möglich war. Sie erkundigten sich jedoch bei den Eltern, wo das Grab ist, und legten einige Wochen später dort einen Blumengruß ab. Auch dies war noch einmal eine Gelegenheit, gemeinsam darüber zu sprechen, wie sie Barbara in Erinnerung halten, was von ihr im Team erhalten bleibt und wofür sie ihr dankbar sind.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Über die geschilderten Maßnahmen der ersten Wochen hinaus gibt es auch im Unternehmenskontext Möglichkeiten der bleibenden wertschätzenden Erinnerung. Barbaras Bild fand im Büro einen dauerhaften Platz. Viele Wochen lang stellten die Kolleg:innen frische Blumen dazu. An ihrem ersten Geburtstag nach ihrem Tod, hielt das Team in einer Gedenkminute inne. Zum ersten Todestag wurde im Rahmen eines Teammeetings ihrer gedacht. Immer wieder gab es Raum für die Frage „Was hätte Barbara jetzt gesagt oder getan?“.

Natürlich wurde irgendwann Barbaras Stelle ausgeschrieben und neu besetzt. Auch diesen Prozess der Neufindung des Team begleitete die Führungskraft mit viel Fingerspitzengefühl dem Team, aber auch der neuen Mitarbeiterin gegenüber.

Dies sind nur einige Beispiele für tröstende und heilsame Rituale. Es gibt nicht DEN einen Musterweg. Was für das eine Unternehmen passt, mag für ein anderes ganz und gar nicht stimmig sein. Es macht daher Sinn, sich auch ohne aktuellen Trauerfall Gedanken darüber zu machen, wie die Trauerkultur im Unternehmen gelebt werden kann und grundsätzliche Kommunikations- und Ablaufprozesse für den Ernstfall zu entwickeln – ggf. auch mit professioneller, externer Unterstützung.

* Der Name ist natürlich zu ihrem Schutz geändert.

Über die Autorin

Christine Kempkes
Trauerbegleiterin für Einzelpersonen, und Teams, freie Trauerrednerin und Bestatten

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