Kann ich wegen Trauer krankgeschrieben werden?

Person, die umarmt wird.

Bekomme ich ein Attest, wenn ein Angehöriger gestorben ist? Das ist ein viel gesuchte Anfrage im Internet, auf die wir euch gerne eine Antwort geben möchten. Vorweg: Ja, es ist möglich, sich nach einem Todesfall krankschreiben zu lassen, aber es ist eine Hürde, zum Arzt zu gehen. Denn krank ist man ja nicht. Aber was bleibt einem anderes übrig, wenn man wichtige Menschen im Leben verloren hat und offiziell schnell wieder funktionieren muss, weil es nur drei Sonderurlaubstage beim Tod des Ehegatten oder der Ehegattin, einen Sonderurlaubstag beim Tod der Eltern, Kinder, Stiefkinder, Geschwister und Schwiegereltern gibt? 

Trauer darf keine Krankheit sein

Trauer darf keine Krankheit sein, sondern eine normale Reaktion auf ein eigentlich normales und doch als unnormal erlebtes Ereignis. Darin sind sich alle einig, die sich im Hospiz-, Palliativ- und Trauerbegleitendenkontext bewegen. Und diese inzwischen sehr hochgehaltene Flagge wird in jüngster Zeit mit zunehmender Verbissenheit verteidigt, je näher der neue Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation rückt, denn der sieht vor, eine sich verfestigte Trauer neu in den Katalog mit aufzunehmen. Doch diese Debatte soll heute nicht unser Thema sein – sondern vielmehr die Tatsache, dass Menschen ganz offensichtlich wegen Trauer krankgeschrieben werden wollen.

Na klar kann man sich krankschreiben lassen!

Und deswegen gilt eben auch: Na klar kann man sich nach einem Todesfall krankschreiben lassen. Weil es unbestreitbar so ist, dass einen die Symptome von Trauer massiv beeinträchtigen können – so massiv, dass man eben nicht mehr arbeitsfähig ist – es braucht sich auch niemand zu schämen, wenn er sich genau das von einem Arzt attestieren lässt. Nur, dass dort das Wort Trauer eben nicht auftaucht. Auf dem gelben Schein steht dann vermutlich eine „Anpassungsstörung“ oder eine „akute Belastungsreaktion“. Das sind zwei Sammelbegriffe, unter denen sich vieles zusammenfassen lässt. Und die durch Trauer ausgelösten Symptome wie beispielsweise eine große Unruhe oder Konzentrationsschwierigkeiten oder eine alles überstrahlende Sehnsucht nach dem oder den gestorbenen Menschen passen in dieses Schema.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Schließlich noch etwas ganz Wichtiges: Auch wenn es sich allgemein eingebürgert hat, von der „Krankschreibung“ zu sprechen oder davon, dass man sich „krankschreiben“ lässt, so ist das in Wahrheit falsch. Das zeigt schon ein Blick auf den sogenannten Gelben Schein. Dort oben steht „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“. Also die Bescheinigung, dass man temporär nicht arbeitsfähig ist. Was nicht automatisch bedeuten muss, dass man auch krank ist. Im Fall von Trauer ist das eine bedeutungsvolle Unterscheidung. Denn es ist natürlich so, dass die durch Trauer ausgelösten Symptome einen Menschen stark beeinträchtigen können, sodass man nicht arbeitsfähig ist. Immerhin handelt es sich um einen Prozess des Leidens. Gleichwohl ist ein dergestalt betroffener Mensch nicht krank.

Nach Todesfall wieder Arbeiten gehen

Der Schritt wieder in die Normalität zurück an den Schreibtisch kann mit vielen Gefühlen verbunden sein. Gewohnte tägliche Routinen, Aufstehen, Fertigmachen, pünktlich am Schreibtisch sitzen, all das kann Sicherheit und Halt schaffen. Ein gewohntes Umfeld, seinen festen Platz haben, die Kolleg*innen wiedersehen – Menschen, die vertraut sind, können guttun. Und auf der anderen Seite ist Trauer nicht in Routinen und Struktur zu pressen, wenn es mir nicht gut geht, dann kann es sehr herausfordernd sein, diese Routinen einhalten zu müssen. Zusätzlich gibt es vielerorts eine große Unsicherheit, wie man mit Menschen in Trauer umgehen soll. Man trifft im gewohnten Umfeld somit plötzlich auf Sprachlosigkeit und viel Vorsicht im Umgang, etwas, das weit entfernt ist von einer Normalität, die eigentlich auch guttun würde. Und dann wird es auch komplex, denn es ist ja nichts mehr normal und wenn sich alle wie immer verhalten würden, wäre das auch verletzend. Es braucht somit viel Milde und Verständnis und eine achtsame Kommunikation, um diese besondere Situation am Arbeitsplatz zu lösen.

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Trauerbegleitung und Unterstützung

Im Bohana-Netzwerk findest du Workshops, Angebote und Bücher zum Thema Trauer am Arbeitsplatz. Wir dürfen davon ausgehen, dass wir an einem Zeitpunkt in unserem Berufsleben mit dem Thema in Berührung kommen. Wenn Menschen in ihrer Trauer auf der Arbeit achtsam und empathisch gesehen und begleitet werden in der Krise, kann das ganz viel Verbindung schaffen. Wir empfehlen hier das Buch „Wenn Kollegen trauern“ von Dr. Franziska Offermann.

Trauerbegleiter Thomas Achenbach lächelt in die Kamera. Hinter ihm liegt ein See.

Thomas Achenbach
Trauerbegleiter

Text von Thomas Achenbach