Ein Herz hat aufgehört zu schlagen. Ein Sternenkind ist geboren.

Stille Geburt

Wenn Eltern ihr Kind in der Schwangerschaft, während der Geburt oder kurz danach verlieren spricht man von einer stillen Geburt oder von Sternenkindern. Anstatt es in den Händen tragen zu dürfen, müssen sie ihr Kind abgeben. Die Familie wurde in eine Situation gebracht, die sich niemand wohl je hätte vorstellen können. Gerade deswegen ist es wichtig, dass sie jemand an die Hand nimmt und begleitet. So komme ich als Bestatterin – wenn möglich – bereits in die Klinik und lerne dort die Eltern in einem ersten Gespräch kennen. Ich zeige ihnen Wege auf, wie ein Abschied sein kann. Ich ermutige sie ihr Kind zu betrachten, zu fühlen und alles „aufzusaugen“, was möglich ist. Denn dies ist die einzige Zeit, welche die Eltern mit ihrem Sternenkind haben. Immer wieder höre ich im Nachhinein, wie dankbar die Eltern sind, dass ich sie dazu „aufgefordert“ habe.

„Wir sind auch Mütter – aber andere Mütter!“

Außerdem ist es wichtig, den Eltern klar zu machen, dass sie nun Vater und Mutter sind – auch wenn das Herz ihres Kindes nicht mehr schlägt. Eine Mutter sagte einmal in der Trauergruppe zu einer anderen Frau, die sich nicht als Mutter fühlte: „Wer ist dann die Mutter von deinem Max? – Wir sind auch Mütter, aber andere Mütter!!“ Die betroffene Mutter war sichtlich berührt und dankbar für diesen Zuspruch! Ein Segen sind die Sternenkindfotografen, die ehrenamtlich Fotos von diesen Kindern und ihrer Familie machen. Eine wunderbare und einzigartige Erinnerung. Ein Schatz! Wenn die Mutter entlassen wird und die Eltern wünschen, bringe ich das Kind in das eigene Zuhause. Gerne dürfen die Eltern bei mir mitfahren.

Es ist so wichtig, dass Geschwisterkinder ihren Bruder oder ihre Schwester sehen

In der vertrauten Umgebung können die Eltern, wenn möglich mit Geschwistern, Großeltern und Freunden in Ruhe Abschied nehmen. Dazu möchte ich Mut machen. Es ist kostbar und berührend, wenn die Familie die Möglichkeit hat, das Baby kennenzulernen. Gerade Geschwisterkinder, aber auch die Großeltern haben sich wie die Eltern auf die Schwester, den Bruder, das Enkelkind gefreut. Sie brauchen aus meiner Erfahrung heraus die Chance es zu sehen. Kinder reagieren oft viel intuitiver als wir Erwachsene und können so den Eltern Trost geben. Ein Kind sagte einmal zu mir: „Wenn ich meine Brüder nicht sehe, kann ich sie gar nicht lieb haben.“ Ein anderes Mädchen sagte: „Mama, du hast so einen schönen Jungen geboren.“

Erinnerungen sind der einzige Schatz der bleibt!

Erinnerungen müssen geschaffen werden. Fotos, Fußabdrücke, Briefe, Bilder. Ich ermutige die Eltern immer dazu, in sich hinein zu fühlen. Was möchte ich noch für mein Kind tun? Was möchte ich ihm/ihr mitgeben? Die Kreativität und die Intuition der Eltern ist nicht zu unterschätzen und ein großer Schritt in der ersten Trauerbewältigung. So ermutige ich die Eltern auch dazu, den Sarg oder die Urne selbst zu gestalten. Je nachdem, wie klein das Baby ist, darf das „Särglein“ eine kleine Holzkiste oder eine Pappschachtel sein, die bemalt, beklebt, beschrieben werden kann. Zusammen mit der Familie betten wir das Kind dann ein, geben ihm/ihr Bilder, Fotos, Blumen, vielleicht ein Kuscheltier, etc. mit in den Sarg. Dieser Abschied kann selbstverständlich auch in meinem Bestattungshaus sein, wenn den Eltern der Mut fehlt, ihr Kind nach Hause zu holen. Mir ist es ein Anliegen, dass die Familie immer weiß, wo ihr Kind ist.

Die Trauerfeier wird durch die Mitgestaltung der Familie besonders, individuell und dadurch tröstlich

Es wird für die Eltern von Bedeutung sein, dass sie auch die Beerdigung mitgestalten  – wie sie es möchten und können. Die Auswahl der Lieder, vielleicht eigene Worte vortragen, einen Brief vorlesen oder vorlesen lassen, die Fürbitten beten etc. Das Kreuz selbst gestalten, Blumen aussuchen, Luftballons steigen lassen, Seifenblasen verteilen etc. Wenn ich selber die Abschiedsfeier gestalte, achte ich auf ermutigende Worte. Je nach Glaubenseinstellung sind Segensworte bzw. Wünsche für das Sternenkind, aber auch für die Familie von großer Bedeutung. Ich lasse die Eltern eine Kerze gestalten, die an der Trauerfeier brennt, die aber auch Zuhause immer wieder entzündet werden kann. An Weihnachten, Geburtstagen, am Todestag oder wann immer sie brennen soll.

Die Begleitung von Eltern, die ein Sternenkind geboren haben, ist sehr emotional

Abschließend möchte ich sagen, dass diese Arbeit für mich eine absolute Herzenssache ist. Das Gefühl, den Eltern eine Stütze zu sein und den Abschied für sie so gut, schön und tröstlich wie möglich zu gestalten, gibt mir immer wieder die Kraft dies weiter zu tun.

Information: World Wide Candle Lighting Day

Jeden zweiten Sonntag im Dezember, in diesem Jahr am 12. Dezember, findet der World Wide Candle Lighting Day statt. Am Weltgedenktag für alle verstorbenen Kinder zünden Zugehörige eine Kerze an und stellen sie um 19 Uhr ins Fenster stellen. Durch die verschiedenen Zeitzonen geht 24 Stunden lang eine Welle des Lichts um die Erde.

Über die Autorin

Xenia Krämer
Bestatten und Trauerpädagogin